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Offshore software company in Vietnam


Offshore software company in Vietnam
Offshore software company in Vietnam

Wieviel kostet ein Programmierer in Vietnam und was hat Onkel Ho mit Software zu tun? Erster Teil eines Berichts über die Software-Industrie in Vietnam.


So anders als in der Schweiz ist es gar nicht bei Axon Active und Orient Software in Ho Chi Minh Stadt an der sechsspurigen Strasse, die vom Flughafen ins Stadtzentrum führt. Es gibt Pulte, Bildschirme, PCs und viele viele junge Leute, die Tools recherchieren, im Team diskutieren, Code schreiben oder Skype-Telefonkonferenzen mit Kollegen in Russland, der Schweiz und Skandinavien abhalten. Vielleicht sind die Arbeitsplätze etwas enger beieinander als in Glattbrugg, vielleicht sind Programmierer in Ho Chi Minh Stadt öfter barfuss als in Basel, vielleicht wird etwas weniger einfach nur geschwatzt als in St. Gallen – aber sonst?


Doch natürlich gibt es Unterschiede. Über Mittag wird verdunkelt und ein Teil der jungen ProgrammiererInnen und Entwickler legt sich schlafen – auf dem Stuhl, am Boden, im Sitzungszimmer. Schlafende trifft man im superheissen vietnamesischen Sommer überall und jederzeit: Taxi- und Mopedfahrer warten im


Schlaf auf die Kundschaft, die bei Bedarf sanft weckt, und die schönen Gartenrestaurants an den Ausfallstrassen sind mit rege genutzten Hängematten möbliert. Doch die Programmiererinnen bei den Software-Firmen in Ho Chi Minh Stadt, die wir besucht haben, machen keineswegs einen schläfrigen Eindruck (ausser über Mittag), sondern schienen uns fast unheimlich durchgehend konzentriert.


Programmiererinnen? Richtig – auch das ist ein Unterschied. Zwar nicht gerade die Hälfte aber doch eine grosse Minderheit der Software-Ingenieure Vietnams sind Frauen. Warum sind Vietnams Frauen an technischen Berufen interessierter als die Frauen in Westeuropa? Für Nhung Nguyen, die als Managing Director von Axon Active Vietnam und Gründerin, Chefin und Besitzerin ihrer eigenen Firma Orient Software Development kaum für plumpe Parteipropaganda empfänglich ist, gibt es dafür historische Gründe. “Onkel Ho hat Frauen stark gefördert und die Respektierung der Frauenrechte während des Krieges durchgesetzt, denn die Frauen haben damals die Front versorgt. Dass Frauen Naturwissenschaften studieren, haben wir von der Kommunistischen Partei geerbt. Zudem zählen Mathematik, Chemie und Physik in der Mittelschule und der Uni doppelt.” (Mit Onkel Ho wird der vietnamesische Revolutionsführer Ho Chi Minh allgemein bezeichnet.)


Viel Aufwand, um die Leute zu halten


56’406 junge Menschen begannen 2009 in Vietnam eine Ausbildung als InformatikerIn in total 271 Universitäten und Fachschulen. An “Nachschub” der intellektuellen Ressourcen für die Software-Entwicklung wird es also nicht mangeln. Doch nicht nur Schweizer Software-Firmen haben dies gemerkt. Die grossen Player, auch die indischen Riesen, sind alle schon da. So will etwa Hewlett-Packard in Ho Chi Minh Stadt ein Entwicklungszentrum mit etwa 1000 Leuten auf die Beine stellen.


Erfahrene Entwickler, vor allem auch solche mit Java-Know-how, sind in Ho Chi Minh Stadt rar geworden und verdienen heute wesentlich mehr als noch vor drei Jahren, erzählt Markus Baur, CEO von Axon Active Vietnam. Ein zusätzliches Problem ist, dass Java an den vietnamesischen Universitäten noch stiefmütterlich behandelt wird – Java-Entwickler verdienen deshalb mehr als .Net- oder PHP-Leute.


Die erfolgreiche Rekrutierung von Ingenieuren, aber auch die Aus- und Weiterbildung von ganz jungen Leuten, sind deshalb entscheidend. BewerberInnen müssen erst eine Prüfung ablegen, gehen dann durch ein technisches Interview und werden danach auch noch persönlich befragt. Zudem bieten Firmen wie Axon und Orient Software abendliche Englisch-Kurse an. Neu bildet Axon Active nun auch 10 Junior-Entwickler auf Bachelor-Stufe für ein Jahr aus.


Um Leute zu halten, muss ein Arbeitgeber neben einem vernünftigen Lohn einiges bieten. Axon und Orient Software haben zusammen beispielsweise ein (gutes – wir haben es ausprobiert) Personalrestaurant, es gibt zwei Sportteams für die Freizeit, jährliche Firmenausflüge und die Teams gehen manchmal abends zusammen auf ein Bierchen aus.


Offshore ist nicht Offshore


Der Lohn dafür ist eine relativ tiefe Fluktuationsrate und Teams, die über Jahre zusammenbleiben und sich – auch wegen der täglichen persönlichen Kontakte – mit dem Kunden identifizieren. Dies ist für Baur eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Offshore-Produktion von Software. Überhaupt betont er immer wieder, Axon biete eben nicht “normale”, projektbezogene Offshore-Entwicklung an. So arbeite der Kunde über Jahre mit stabilen Teams und baue selbst Know-how auf. Zudem verschiebe Axon nie Entwickler zwischen verschiedenen Teams, wie dies Konkurrenten in Indien gerne täten. Mit dem Konzept des “Offshore Development Centers” werde die Entwicklung in Asien (und damit Produkte-Innovation) auch für KMU in der Schweiz möglich, betont Baur.


Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Schweizer Kunde sich genauso mit seinen Teams identifiziert wie umgekehrt. Schlechte Erfahrungen hat Baur beispielsweise mit jungen und unerfahrenen Schweizer Ingenieuren, die die asiatische Höflichkeit falsch interpretierten und sich als “etwas besseres” zu fühlen begannen.


Ein Problem sieht Baur auch darin, dass es in Vietnam sehr viele, kleine und wenig professionelle Software-Firmen gibt. Diese “entwickeln ohne Strukturen und Qualitätssicherung auf Teufel komm raus Software zu tiefen Preisen”, so Baur, und bezahlen ihre Leute auch relativ schlecht. Macht ein Schweizer Kunde mit solchen Firmen dann schlechte Erfahrungen, so behauptet er schnell einmal, Offshore-Entwicklung in Vietnam funktioniere halt einfach nicht.


Zahlen – ganz konkret


Ein Programmierer verdient gemäss Baur in Vietnam zwischen 400 und 1300 Dollar pro Monat. Zählt man alle vorgeschriebenen und freiwilligen Sozialabgaben und sonstigen Kosten dazu, so verdoppeln sich diese auf etwa 800 bis 2’600 Dollar pro Monat.

Wie bei der projektorientierten Offshore-Entwicklung gibt es auch beim Konzept von Axon Active eine Mindestgrösse. Baur denkt, dass ein Kunde mindestens ein Team von vier Leuten für mindestens ein Jahr aufziehen muss, damit es sich lohnt, anzufangen.


Anders ist es bei der “nahestenden” Firma Orient Software, aus der heraus Axon Active Vietnam 2008 entstanden ist und deren Gründerin weiterhin auch Managing Director von Axon ist. Dort kann ein Projekt schon ab einem Minimum von 5000 Dollar pro Monat Sinn machen, so Baur.


“Der nächste Standort folgt sogleich”


Baur und Nhung sind mit Axon Active Vietnam offensichtlich erfolgreich. Wachstumsbremse ist nicht die Nachfrage seitens der Kunden, sondern die Fähigkeit, genügend qualifizierte Leute zu finden und mit ihnen Teams aufzubauen.


Deshalb macht Axon nun den nächsten Schritt und eröffnet in den nächsten Wochen eine zweite Niederlassung in Da Nang, wo es gute Universitäten gibt und die Stadt den Software-Standort ebenfalls massiv fördert. In nicht allzu langer Zeit sollen dort weitere 50 Ingenieure und Ingenieurinnen für Axon Active und deren Schweizer Kunden Software bauen.


Aufbau in Vietnam, Abbau in der Schweiz?


Die Gretchenfrage darf in keinem Artikel über den Entwicklungsstandort Vietnam fehlen: “Wieviele Stellen werden in der Schweiz wegen Axon Active abgebaut?” Baur: “Es wird wegen uns keine einzige Stelle in der Schweiz abgebaut. Das Gegenteil ist der Fall. Wir ermöglichen, dass in der Schweiz neue Produkte entstehen. Ohne uns ginge das gar nicht, weil überall die Entwickler fehlen. Wir nehmen niemandem den Job weg, denn Programmierer in der Schweiz können nun mit ihren Teams zusammen neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Ein Schweizer Programmierer hat mit seinem Know-how und einem Team in Vietnam einen viel grösseren und besseren Output und damit auch mehr Befriedigung am Job.”


Etwas anders ist das für Baur bei den grossen, projektorientierten Offshore-Entwicklungen in Indien. Da werden die Anforderungen in einem Paket nach Indien geschickt und die Software kommt als Paket zurück. (Christoph Hugenschmidt)


Lesen Sie in Teil II von “In den Software-Fabriken Vietnams”, wie Nhung Nguyen ihre Software-Firma aufgezogen hat, warum es noch fast keinen vietnamesischen Software-Markt gibt und welche Strategie der vietnamesische Software-Riese TMA Solutions verfolgt.

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